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Ansprengversuche an Panzern und Gebäuden


Die WTD 91 in Meppen ist eine von zehn Wehrtechnischen bzw. Wehrwissenschaftlichen Dienststellen im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung. Sie kann mittlerweile auf eine über 125-jährige Geschichte zurückblicken, die bereits zu Kaisers Zeiten im Jahre 1877 mit der Einrichtung eines Artillerieschießplatzes der Firma Krupp an gleicher Stelle begann. Zu ihren heutigen Aufgaben zählen technische Untersuchungen und Erprobungen an Waffen, Munition, gepanzerten Fahrzeugen und Schutzbauten aller Art. Zu diesem Zweck werden auf dem weitläufigen Areal im Emsland Ansprengversuche mit Panzern, Minensuch- und Arztfahrzeugen, aber auch an Gebäuden durchgeführt. Dies stellt natürlich auch besondere Anforderungen an die hierfür eingesetzte Messtechnik.

Mit Blick auf die Neuausrichtung der Bundeswehr auf friedenssichernde und friedenserhaltende „Blauhelm“-Missionen in Krisengebieten ist die Qualifikation und Abnahme der dort zum Einsatz kommenden Fahrzeuge für den Minenschutz eine besonders aktuelle Aufgabenstellung bei der WTD 91.

Dabei werden die möglichen Auswirkungen auf die Insassen untersucht. Hierzu bestückt man Versuchspuppen und Sitzstrukturen mit Sensoren zur Ermittlung der eingeleiteten Kräfte und Beschleunigungen. Die eingesetzten Versuchspuppen ähneln den aus der Unfallforschung bekannten Crashtest-Dummies, sind aber wesentlich robuster und noch aufwendiger gestaltet.

Aus den gemessenen Werten lässt sich ein sogenannter „Dynamic Response Index“ berechnen, den man mit ergonomischen Grenzwerten vergleichen kann. Die messtechnische Herausforderung bei diesen Versuchen liegt in der extremen Kurzzeitigkeit der Vorgänge und der Vielzahl simultan zu erfassender Messdaten. Die Messdauer beträgt typischer Weise nur 60 Millisekunden, in Ausnahmen auch mal bis zu 2 Sekunden. Dabei werden z.B. 32 Messkanäle mit Abtastraten bis 1 MHz (das entspricht einer Million Messwerte pro Sekunde) je Kanal aufgezeichnet. Da die Messobjekte nach dem Versuch in der Regel beschädigt sind und die Versuche daher nicht wiederholt werden können, ist dabei eine größtmögliche Redundanz und Datensicherheit der Messungen gefordert. Die Messgeräte befinden sich während des Versuchs in einem Messcontainer in sicherer Entfernung, was aufwendige Sensorverkabelungen von bis zu 100 Metern Länge erforderlich macht.

Mit dem LTT-186 steht der WTD hierfür neuerdings ein Messsystem zur Verfügung, das diesen hohen Ansprüchen gerecht wird. Dieses vom Würzburger Spezialisten für ultraschnelle Messtechnik, LTT GmbH, entwickelte und produzierte Frontendsystem erweitert die Bandbreite der konventionellen PC-Messtechnik in bisher unerreichte Dimensionen. Ein einzelnes Gerät bietet 16 Differenzeingänge. Da sich die Geräte aber kaskadieren lassen, ist auch eine synchronisierte Erfassung von mehreren hundert parallelen Kanälen möglich. Separate A/D-Wandler und Verstärker für jeden Eingang ermöglichen eine simultane Abtastung aller Kanäle und eine kanal-individuelle Verstärkung mit Eingangsbereichen zwischen * 1 Volt und * 50 Volt. Die mögliche Abtastrate pro Kanal liegt dabei, je nach gewünschter Auflösung, zwischen 1 kHz und 2,5 MHz bei 16 Bit bzw. bis zu 20 MHz bei 12 Bit. Jeder Eingang verfügt über einen adaptiven Anti-Aliasing-Filter.

Die Anbindung an den PC erfolgt über ein spezielles, patentiertes SCSI-II-Interface, das sich praktischerweise nach der Installation selbst konfiguriert. Das Messgerät benötigt selbst keinerlei Treiber im PC und ist nach dem Einschalten sofort betriebsbereit. Die interne Festplatte des Gerätes wird von Windows automatisch als eigenes System-Laufwerk erkannt und ermöglicht daher einen direkten Zugriff vom PC auf die gespeicherten Messdaten durch beliebige Anwendungsprogramme. Die mitgelieferte Software übernimmt nicht nur die gesamte Hardware-Konfiguration des LTT-186, sondern auch die Auswahl des Aufzeichnungsmodus (Einfach- oder Ringmessung), der verschiedenen Triggeroptionen (digital oder analog) und der Zeitbasis (interner oder externer Takt). Bis zu 16 solcher Konfigurationen sind für Messungen im Stand-Alone-Betrieb im Gerät speicherbar. Bei angeschlossenem PC lassen sich die Signale auch online darstellen und verarbeiten.

Die erfassten Messdaten werden entweder in ein High-Speed-RAM von 512 Megabyte oder auf die integrierte, bis zu 20 g schockfeste 40-Gigabyte-Harddisk geschrieben. Auf Grund der geforderten Redundanz setzt man bei der WTD stets zwei Systeme unabhängig voneinander ein. Das bedeutet, dass z.B. für 32 Messkanäle zweimal jeweils zwei LTT-186-Geräte synchron betrieben werden. Das erste System läuft dabei im Transientenrecorder-Modus und wird automatisch über einen TTL-Eingang getriggert. Das andere hingegen wird manuell per Tastendruck bzw. Mausklick gestartet. Die gespeicherten Signale werden zunächst über die gesamte theoretische Bandbreite der eingesetzten Beschleunigungsaufnehmer (typisch 40 kHz) analysiert, um einem eventuellen Übersteuern auf die Spur zu kommen. Erst danach erfolgt mittels digitaler Filter eine Bandbegrenzung auf den für die Auswertung jeweils relevanten Bereich.

Für die Versuchsingenieure bei der WTD 91 bedeutet der Einsatz der neuen Systeme eine wesentliche Verbesserung und Rationalisierung ihrer Arbeit. Früher wurden für derartige Versuche Magnetbandaufzeichnungen verwendet. Das Handling der schweren Bandlaufwerke war relativ umständlich und die Archivierung der empfindlichen Bänder aufwendig. Die analog aufgezeichneten Signale mussten vor der Weiterverarbeitung zunächst digitalisiert und dann in den Auswerterechner überspielt werden. Auch war die Abtastrate auf 80 kHz pro Kanal begrenzt und damit hart an der Grenze der benötigten Bandbreite. Auch zwischenzeitlich erprobte PC-Steckkartensysteme boten auf Grund begrenzter Abtastraten und Signalbandbreiten nicht die erforderliche Flexibilität. Erst das LTT-System brachte die gewünschte Lösung: Dank der Online-Funktionalität stehen die Messdaten nun unmittelbar im PC zur Verfügung und werden noch vor Ort verifiziert. Dies ermöglicht z.B. einen Systemcheck (auf Kabelbruch o.ä.) noch vor Versuchsbeginn und damit eine erhöhte Redundanz bei der Aufzeichnung. Die Datensicherung erfolgt nun auf CDs, ist somit äußerst bequem und platzsparend und erlaubt zudem eine flexible Wiedergabe der Daten auf beliebigen PC-Systemen.

Andreas Evelt von der zuständigen Fachgruppe Messtechnik zeigt sich sehr zufrieden: „Die kompakten und äußerst robusten LTT-Geräte sind leicht und sicher zu transportieren und erlauben uns daher einen wesentlich flexibleren Einsatz. Außerdem sind sie sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt wirtschaftlicher als unsere alten Bandgeräte, was gerade in Zeiten schmaler Budgets ein wichtiger Faktor ist!“

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